Translater:
Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der Globalisierung? Schon oft ist versucht worden, diese Frage zu beantworten - wobei aber die Ansichten weit auseinanderklaffen.
Die
Gewinner der Globalisierung sind weit verstreut. Wir finden sie in
allen Kulturkreisen.
Es
sind als Unternehmen vor allem die Global Player, die von der
Globalisierung profitieren. Ihr simples Erfolgskonzept lautet
schlicht und ergreifend: In
den führenden Industriestaaten neue Produkte entwickeln, diese
dann für wenig Geld in Asien, Afrika, Südamerika oder
Osteuropa herstellen lassen, um sie letztlich für viel Geld
wieder in den Hochlohnländern abzusetzen.
Dieses Prinzip versprach bislang höchste Renditen. Besonders
erfolgreich waren hierbei Markenartikler, die aufgrund ihres Images
eine Art Monopolstellung genießen.
Aus dieser Situation der Global Player heraus entwickelten sich für eine kleine Oberschicht sagenhafte Verdienstmöglichkeiten. An der Spitze der Globalisierungsgewinnler stehen die Manager der Konzerne, professionelle Devisen- und Aktienspekulanten, Investmentbanker usw. An nächster Stelle folgen die Organisatoren der Produktionsverlagerungen, der Logistik, der Produktentwicklung, des Auslandsvertriebs etc. Die immensen Gewinnspannen vieler Global Player (Motto: so billig wie es geht im Ausland produzieren, so teuer wie möglich im Hochlohnland verscherbeln) erlauben Traumgehälter für gesuchte Spezialisten.
Ohne
Zweifel gibt es auch in den boomenden Schwellenländern
inzwischen eine große Schar von Nutznießern "der
internationalen
Arbeitsteilung".
Vor allem viele Führungskräfte in den neuen Fabriken und
korrupte Beamte haben es zu einem beachtlichen Wohlstand
gebracht.
In Deutschland zählt man zu den Globalisierungsgewinnlern auch
die Mitarbeiter vieler Aktiengesellschaften, die Fabrikarbeiter
der renommierten Autokonzerne, Maschinenbauer und Chemiefabriken.
Tatsächlich haben sich deren Gehälter von der übrigen
Masse abgekoppelt. Sie sind besser weggekommen als alle übrigen
Fachkräfte und verdienen heute oft mehr als Ärzte,
Apotheker oder andere Akademiker und sie gehören deshalb
natürlich auch zu den lautstarken Befürwortern der
Globalisierung. Dennoch unterliegen sie einem Trugschluss. Denn
ohne Freihandelswahn hätten sich auch ihre inflationsbereinigten
Nettoeinkommen seit 1980 verdoppelt (entsprechend dem
Produktivitätswachstum). Das globale Lohndumping hat dieses
natürliche Wachstum aber verhindert.
Und die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes hat längst
auch die privilegierten Branchen erfasst. Auch dort wird schon lange
mit Leiharbeitern und Tarifunterwanderungen herumexperimentiert und
mit der Auslagerung von Produktionsteilen nicht nur
gedroht.
Verglichen mit anderen Branchen hatten die Mitarbeiter der Vorzeigebranchen (Auto, Maschinenbau, Chemie) dennoch großes Glück. Denn trotz ständiger Zugeständnisse bei den jährlichen Lohnverhandlungen sind die meisten anderen Industriebereiche (Foto-, Büromaschinen-, Küchengeräte-, Unterhaltungselektronik-, Möbel-, Textilbranche) weitgehend ausgestorben.
Dieses traurige Schicksal wird eines Tages jedoch auch die letzten deutschen Produktionsbasen ereilen (falls nicht doch noch der globale Dumpingwettbewerb über Zollanhebungen oder Mehrwertsteuererhöhungen beendet wird). Die von den Globalisierungsgewinnlern geschürte Hoffnung, die verbliebenen Exportbranchen (Auto- und Maschinenbau, Chemie, Pharmazie) könnten die durch die ausgestorbenen Industriebereiche erlittenen Verluste ausgleichen, hat sich längst zerschlagen.
Ebenso zweifelhaft erscheint der Nutzen für die zigmillionen einfachen Fabrikarbeiter in den Billiglohnländern. Nur langsam keimt in der breiten Masse ein wenig Wohlstand auf, der aber oft sehr teuer über unmenschliche Arbeitsbedingungen erkauft wird. In Heft 40/2009 berichtet der Spiegel über jugendliche Näherinnen in Bangladesch, die im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Umfallen arbeiten müssen (ca. 70 Stunden die Woche), bei Fehlern oder Müdigkeit von den Vorgesetzten geschlagen werden und im ganzen Monat lediglich 30 Euro verdienen (diese Summe langt nur schwerlich zum Überleben). Es wäre mehr als zynisch, solche Ausgebeuteten auch noch als Gewinner der Globalisierung feiern zu wollen.
Welches
sind die Verlierer der Globalisierung?
Wollte
man tatsächlich eine vollständige Liste der Verlierer der
Globalisierung aufstellen, so würde man damit ein ganzes Buch
füllen können. Nehmen wir einfach mal den einstigen
"Exportweltmeister" Deutschland als simples Beispiel: Hier muss man
mindestens 90 % der Bevölkerung zu den Verlierern zählen.
Es sind im Einzelnen: Alle Normalverdiener - denn ohne den
globalen Dumpingwettbewerb (wenn es wie früher Zölle geben
würde) wären die realen Nettolöhne etwa doppelt so
hoch wie sie es heute sind (und die Arbeitsplätze wären
sicherer).
Mehr
dazu...
Eindeutige Verlierer sind außerdem: Alle Zeitarbeiter, Geringverdiener, Minijobber, Ein-Euro-Jobber, Praktikanten, Arbeitslose, Kurzarbeiter, Vorruheständler usw. Deren Situation wäre in einem intakten Binnenmarkt (der Billigimporte über Zölle verteuert) wesentlich besser. In einem intakten Binnenmarkt herrscht Vollbeschäftigung (wie in der BRD bis spät in die 70er Jahre hinein) - schlecht bezahlte Jobs würde niemand annehmen.
Des weiteren würden selbstverständlich auch die Rentner von einem Ausstieg aus der Globalisierung profitieren. Die Rentner sind doppelt geplagt: Zum einen sind ihre Bezüge an die Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer gekoppelt (sinken die Reallöhne, so sinken auch die Renten), zum anderen erforderte der internationale Dumpingwettbewerb eine Absenkung der Rentenformel (statt einst 70 % nur noch ca. 45 % des letzten Bruttolohnes).
Lust but not least muss man auch noch einige Millionen kleine und mittelständische Unternehmer und Landwirte als Verlierer benennen, die den ungleichen Bedingungen des globalen Wettbewerbs nicht gewachsen waren (weil sie nicht über die Kapitalmacht der Konzerne verfügten) und beim aussichtslosen Überlebenskampf nicht nur ihre Existenz, sondern oft auch ihr gesamtes Vermögen (Fabrik, Haus und Hof) verloren.
Verlierer im engsten Sinne sind ebenso alle Sparer und Kapitalanleger, die durch die undurchschaubaren globalen Machenschaften Verluste davontrugen. Manche dieser Leute sind an ihrem Desaster sicher nicht ganz unschuldig, weil sie zu spekulativ oder gutgläubig gehandelt haben. Aber vor der Globalisierung waren die Anlagemöglichkeiten solider und verständlicher, es gab kaum trügerische Verlockungen aus dem Ausland und das normale Sparbuch oder der Schatzbrief warfen vernünftige Renditen ab (so dass man auf riskante ausländische Investments gar nicht angewiesen war).
Nicht zu vergessen: Auch der Staat und das Gemeinwesen sind als solche Verlierer der Globalisierung. Ausufernde Haushaltsdefizite und Staatsschulden, kaum beherrschbare globale Spekulations- und Wirtschaftskrisen, unkontrollierbare Finanzmärkte - der globale (weitgehend zollfreie) Markt erweist sich immer mehr als direkter Weg ins Chaos. Weil eben das Grundprinzip bereits chaotisch und höchst ungerecht angelegt ist - wenn Stundenlöhne von 20 Cent und 20 Euro ungebremst aufeinanderprallen, kann das auf Dauer niemals gutgehen.
Auch
in den Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es Verlierer
zuhauf
Nicht
nur ca. 95 % der Menschen in den Hochlohnländern zählen zu
den Verlierern der Globalisierung. Selbst in den Entwicklungs- und
Schwellenländern überwiegt die Zahl der
Benachteiligten. Viele
Entwicklungsländer werden von Billigimporten aus Fernost
regelrecht überschwemmt - ihre traditionelle Eigenversorgung
geht mehr und mehr verloren. Dieser Trend lässt die
Massenarbeitslosigkeit in vielen Entwicklungsländern weiter
ansteigen - die Chancen auf einen eigenständigen industriellen
Aufbau nehmen ab. Selbst bevorzugte Billiglohnländer, in denen
für ausländische Preisdrücker in Akkord Kleider
genäht oder andere Waren hergestellt werden, wären ohne die
viel beschworene "internationale Arbeitsteilung" oft besser dran.
Diese Länder könnten über angemessene
Dumpingzölle sich dem eingeschleppten, ruinösen
Vernichtungswettbewerb entziehen, wenn sie nicht durch den IWF oder
internationale Handelsabkommen daran gehindert
würden.
Auch
ohne Globalisierung können Entwicklungsländer aufsteigen
In
unserer vom Kapital dominierten Gesellschaft versucht man immer
wieder den Eindruck zu erwecken, dass Entwicklungsländer nur
aufsteigen können, wenn Sie sich den Bedingungen der
Globalisierung unterwerfen und die ausbeuterischen Dumpinglöhne
der Global Player akzeptieren. Dabei hat es aber auch vor der
Globalisierung genug Staaten gegeben, die nahezu aus eigener
Kraft den Aufstieg schafften: durch eine kluge Bildungs- und
Wirtschaftspolitik, durch den Aufbau eines ordentlichen
Verkehrsnetzes, die Bekämpfung der Korruption usw. Warum sollte
das alles heute nicht mehr möglich sein? Zudem wären ohne
Globalisierung (ohne den globalen Dumpingwettbewerb) die Staatskassen
der Hochlohnländer prall gefüllt. Da wäre es ein
Leichtes, in unterentwickelten Staaten echte Aufbauhilfe zu leisten
(zum Beispiel nach dem Erfolgskonzept des Marshallplans).
Zahlenbilanz:
Grob
geschätzt scheinen mir von den sieben Milliarden Erdenmenschen
bestenfalls 10 Prozent (also 700 Millionen) zu den Gewinnern der
Globalisierung zu zählen. Alle anderen profitieren nicht
von der Globalisierung oder gehören sogar eindeutig zu den
Verlierern. Würde man endlich eingestehen, dass auch ohne
Globalisierung eine Industrialisierung unterentwickelter Staaten
möglich wäre, sähe die Negativbilanz noch
düsterer aus: dann wären über 95 % der
Weltbevölkerung als eindeutige Verlierer einzustufen.
Nachtrag:
Wenn
schon Globalisierung, dann aber zu humaneren
Bedingungen!
Wenn
man schon der Meinung ist, das globale Lohndumping um jeden Preis
erhalten zu müssen, sollten bei allen Importen wenigstens
Mindeststandards und Mindestlöhne eingehalten werden! Gerade
sind in Bangladesch (Mai 2013) 1100 meist junge Menschen beim
Einsturz eines desolaten Fabrikgebäudes umgekommen. Zuvor waren
bereits mehrere Textilfabriken wegen mangelnder
Sicherheitsbestimmungen ausgebrannt. Westliche Politiker scheinen
derlei Tragödien relativ kalt zu lassen. Denn sie unternehmen
nichts!
Dabei könnten sie doch Gesetze erlassen, die den Import von
inhuman hergestellter Ware untersagen! Wer zum Beispiel Textilien
nach Deutschland einführen will, müsste die
Produktionskette und die Einhaltung von Mindestlöhnen
nachprüfbar belegen können. Wem das zu umständlich
ist, der muss sich eben andere Abnehmer suchen. Deutschland braucht
keine Produkte, an denen das Blut der versklavten Fabrikarbeiter
klebt! Notfalls könnte es seine Kleidung
im großen Stile auch wieder selbst
herstellen
(bis in die 1980er Jahre hinein gelang es schließlich
auch).
Nachtrag
2014:
Mehr
Geld für
Globalisierungsgewinnler!
Allein die
Familie Quandt (die 47 % der BMW-Stammaktien hält) erwartet im
Jahr 2014 über 730 Millionen Euro an Dividendenzahlungen. So wie
Quandt streichen auch viele andere Großaktionäre von
DAX-Konzernen Jahr für Jahr beträchtliche Summen ein. Klar
doch, dass diese einflussreichen Aktionäre beträchtlich von
der Globalisierung profitieren, ebenso wie die Konzerne selbst. Also
wird auch weiterhin strikte Globalisierungspolitik (Zollabbau,
Freihandelszonen) betrieben. Denn unsere Volksvertreter vertrauen
mehrheitlich der Globalisierungslobby. Sie lassen sich blenden
von deren vielfältiger Propaganda, weil sie selbst über die
Grundsätze einer funktionierenden Volkswirtschaft kaum noch
nachdenken, somit kein eigenes Urteil mehr bilden und die letzte
Verantwortung an ihre parteiinternen Experten und
"Fachausschüsse" übertragen. Je kleiner aber die Zahl der
eigentlichen Entscheidungsträger, desto größer die
Gefahr der lobbyistischen
Einflussnahme
(der Bedrängung, Bestechung, Meinungsmanipulation
usw.).
Nachtrag
2. Dezember 2018:
Im
Abschlusskommuniqué des gerade beendeten G-20-Gipfels wird der
Protektionismus (Zollschutz) nicht mehr geächtet!
Endlich!
Eine Zeitenwende findet statt, eine neue Ära wird
eingeläutet. Für diesen entscheidenden Paradigmawechsel
habe ich 30 lange Jahre gekämpft. Die Einsicht reift: Ein
Produkt, das wegen eines 20- bis 30prozentigen Zolls nicht mehr
gekauft wird, hat es nicht verdient, importiert zu werden!
Früher oder später wird jeder erkennen: Über den Zoll
(und über Konsumsteuern)
lässt sich ein Sozialstaat weit besser fianzieren als über
erdrückende
Lohnnebenkosten.
Der erste Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Welt, einer
faireren Globalisierung, ist damit getan.
Eine
herzliche Bitte: Sollte Ihnen dieser Artikel
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gefallen haben, empfehlen Sie ihn bitte weiter. Denn nur die
allgemeine Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg
für notwendige Veränderungen. Es dankt Ihnen Manfred J.
Müller
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(Eingangsseite
www.globalisierung-welthandel.de)
Impressum
©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher).
Erstveröffentlichung
2009 (aber wie man sieht immer noch
brandaktuell).
Überwindung
der Denkverbote statt populistischer Gesundbeterei
Auch
die nachstehenden Links verweisen auf Seiten, die nicht
von staatlichen Institutionen, Global Playern, Konzernen,
Verbänden, Parteien, Stiftungen, Gewerkschaften,
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und gehypt werden. ©
sämtlicher Texte: Manfred Julius Müller. Alle Texte
entstanden ohne Anwendung einer Künstlichen Intelligenz
(KI).
Wie
erfolgte die Umerziehung, die Akzeptanz radikaler
Ideologien,
Wie
kaufe ich mir eine Regierung?
In
20 Jahren wird man auf die Politik von heute mit Fassungslosigkeit
zurückblicken!
Die
Unterwanderung der Demokratie durch die Cancel-Culture-Bewegung
Die
teuflische Rolle der Zentralbanken
"Die
Wiedereinführung der Preisbindung würde doch alles nur
teurer machen!"
Die
wahren Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung werden
verschleiert!
Höhere
Vermögenssteuern - das ewige
Patentrezept.
Leben
wir in einer Scheindemokratie?
Deutschland:
Erinnerungskultur versus
Verdrängungskultur
Schafft
die Globalisierung wirklich Arbeitsplätze und
Wohlstand?
Die
Tricks bei der Berechnung der Arbeitslosenzahlen
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
Es
ist anmaßend zu glauben, das Christentum bzw. der Westen seien
Vorbild für alles und berufen, die Weltpolizei zu spielen.