Ist Karstadt nicht mehr zeitgemäß?
Oft wird behauptet, große Warenhäuser wie Karstadt seien nicht mehr zeitgemäß. Ich sehe das anders! Es sind einfach politische Entscheidungen und Versäumnisse gewesen, die diese traurige Entwicklung herbeigeführt haben. Die Veränderung des Kaufverhaltens ist die Folge eines sich stetig verstärkenden Unterbietungswettbewerbs, den wir seit Aufhebung der Preisbindung Anfang der 1970er erleben. Weil Politiker es versäumt haben, über klare Regeln die sich ausbreitende Ungerechtigkeit einzudämmen! So ist es zum Beispiel ein Frevel, auf eine allgemeine Tariflohnpflicht im Handel zu verzichten. Ein noch größeres Übel sind oft Machenschaften, die sich vor allem im Internet-Versandhandel zunehmend ausbreiten. Deren Einkäufer kaufen oft weltweit ein, immer dort, wo es gerade am günstigsten ist. Bei dieser Rosinenpickerei erhalten sie aber oftmals statt regulärer Originalware nur gut gemachte Produktplagiate oder aussortierte II.-Wahl-Artikel. Im Vergleich zum seriösen Händler, der seine Ware nur aus offiziellen Quellen bezieht, sind sie dann im Preisvorteil. Dieser ermöglicht ihnen wiederum, ihren Kunden eine portofreie Lieferung anzubieten, wobei der Kunde den versandtechnischen Aufwand gar nicht mehr spürt. Auch hier müsste der Gesetzgeber eingreifen und die Berechnung der Versandspesen zwingend vorschreiben. Inzwischen kommen auch viele Internetlieferungen direkt aus dem Ausland. Allein aus China sollen täglich 250.000 Pakete in Deutschland anlanden. Ein großer Teil davon braucht nicht einmal verzollt werden und sogar die 19prozentige Mehrwertsteuer fällt dann nicht an. Wie soll ein lokaler Einzelhändler gegen diese absurde Preisverzerrung ankommen? Da ist es doch kein Wunder, wenn viele Verbraucher sich im Ladengeschäft umschauen und beraten lassen um dann anschließend im Internet zu bestellen.
Worauf ich hinaus will: Es sind allein fehlende Gesetze, der wir die Verödung der Innenstädte zu verdanken haben. Es gibt kaum Politiker, die aus der Wirtschaft kommen und die Missstände selbst miterlebt haben. Außerdem ist es ein Irrglauben zu meinen, der Verbraucher profitiere vom globalen Preisdumping. Weil eben nicht nur die Produktpreise, sondern auch die Löhne dem brutalen Unterbietungssystem zum Opfer fallen. Übrigens: Zu Zeiten der Preisbindung stieg die jährliche Kaufkraft in der BRD um drei bis fünf Prozent. Seit 1980 aber sinken die realen Nettolöhne und Renten (auch wenn das die meisten Leute gar nicht bemerken oder wahrhaben möchten).
Manfred Julius Müller, Buchautor und Inhaber eines Versandgeschäftes für Fotozubehör, Flensburg
Anmerkung: Den obigen Text habe ich als Leserbrief an meine Tageszeitung geschickt. Denn auch das große, traditionsreiche Karstadt-Haus in der Flensburger Fußgängerzone, der zentrale Treff- und Mittelpunkt unserer Stadt, soll geschlossen werden (worüber natürlich auch in der Zeitung ausführlich berichtet wurde). Über viele Jahrzehnte war Karstadt einer der wertvollsten Werbekunden des Verlages. Und nun kann nicht einmal dieser Leserbrief abgedruckt werden! Wo er doch wichtige Hintergründe erläutert, die auch für die Zukunft relevant sein dürften. Das ist traurig. Darf vom üblichen Betroffenheits-Mainstream-Blabla nicht abgewichen werden? Über jeden "Furz" werden Leserbriefe veröffentlicht, aber mein Karstadt-Kommentar ist scheinbar nicht druckreif. Sieht so die viel gepriesene Pressefreiheit in Deutschland aus?
Nachtrag 6. Juli 2010: Große Überraschung: Heute wurde mein Leserbrief doch noch veröffentlicht. Woher dieser Sinneswandel kam, weiß ich nicht. Ein Leserbrief ist natürlich immer dann am besten, wenn er zeitnah auf aktuelle Geschehnisse eingeht (und nicht 13 Tage später). Aber was soll's? Immerhin wurde der lange Text ungekürzt abgedruckt (lediglich "Buchautor und Inhaber eines Versandgeschäftes für Fotozubehör" am Textende wurde weggelassen).
Eine herzliche Bitte: Sollte Ihnen dieser Artikel (http://www.globalisierung-welthandel.de/karstadt.html) gefallen haben, empfehlen Sie ihn bitte weiter. Denn nur die allgemeine Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für notwendige Veränderungen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
Lesenswert!
Hintergrund
& Analyse:
Grundsätzliches:
Die
Auswirkungen der Globalisierung auf die
Wirtschaft!
Alle
Macht den Kosmopoliten?
Die
Tücken des Liberalismus
Protektionismus
- das verlogenste Kapitel der Welt!
Das
Netzwerk neoliberaler Propaganda
Führte
der aufkeimende Protektionismus zur Eskalation der
Weltwirtschaftskrise 1929?
Weiterführende
Abhandlungen dazu finden Sie in meinen Büchern.
Home
(Eingangsseite
www.globalisierung-welthandel.de)
Impressum
©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher).
Erstveröffentlichung
Juni
2020
Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Demokratie, Kapitalismus und Politik.
"Die
Wandlung Deutschlands nach der Corona-Krise"
Der deutsch-europäische Niedergang beschleunigt
sich!
Weil
Lobby-Ökonomen und Regierungen belehrungsresistent
waren, starrköpfig am globalen Lohn-, Steuer- und
Ökodumping, an langen Lieferketten, der totalen Ex- und
Importabhängigkeit, der schamlosen Ausbeutung der
Natur, der Nullzinsmanipulation usw. festgehalten haben.
Seit über 30 Jahren fordere ich in zentralen Punkten
einen Paradigmawechsel. Weil oberflächliche
Symptombekämpfungen auf Pump, irrationaler Aktionismus
und die Konzentration auf populistische
Sozialmaßnahmen nichts mehr bringen. Der Reformstau
muss endlich aufgelöst werden. Wir brauchen eine
ehrliche, tabulose Debattenkultur. Jetzt!
Wie
Unaufrichtigkeit, geschönte Wirtschaftsdaten und
hartnäckige Vorurteile in der Vergangenheit zu
verhängnisvollen Fehlentwicklungen führten, die
bei der anstehenden Neugestaltung korrigiert werden
müssen.
Eine sachlich-neutrale Streitschrift, die ganz neue
Perspektiven aufzeigt (mit über 60
Reformvorschlägen). Der bislang übliche
Tunnelblick selbst bei vermeintlichen Reformern und
Systemkritikern muss endlich überwunden werden!
Manfred
Julius Müller, 172 Seiten, Format 17x22
cm,
13,50 Euro
Bestellung über www.amazon.de
Es
ist mir unerklärlich, wie leicht sich intelligente Menschen von
dreisten Behauptungen, Vorurteilen und verklärenden Statistiken
vereinnahmen lassen. Der staatlich genährten, westlich
orientierten Sozialromantik- oder Konzernlobby-Propaganda blindlings
zu vertrauen, hieße den Kopf in den Sand zu stecken.